| |
Das Lernen lernen, Teil 2
Sich selbst steuern
Die Kolumne braucht wie jeder neue Internettext etwas Zeit, bis sie von den Suchmaschinen entdeckt wird, und es braucht viele Zugriffe, bis sie dort gut plaziert ausgewiesen wird.
Nun sind auch schon die ersten Meldungen und Anfragen bei mir eingegangen. Ich werde alle Mailpost möglichst zeitnah persönlich beantworten. Anregungen baue ich gerne in weitere Folgen ein. - Vielleicht lese ich bald auch etwas von Dir, oder von Ihnen.
Vom Müssen zum Wollen
Wie oft hörte ich den Satz: 'Ich muß jetzt Hausaufgaben machen.' Der Satz ist zwar insoweit richtig, als die Lehrerin morgen sich davon überzeugen wird, daß die Hausaufgabe auch wirklich erledigt worden ist. Aber in dem Satz schwingt noch eine andere Botschaft mit: 'Ich will zwar nicht, aber ich muß eben.' So gibt sich eine Lernerin *) zu erkennen, die angetrieben werden muß.
Ein solches Verhalten bezeichne ich ab einem bestimmten Lebensalter - etwa ab 7 Jahren - als nicht reif. Dahinter verbirgt sich meist ein Kind, das noch nicht wirklich gewillt ist, die Schule erfolgreich zu bestehen, also eine junge Person, die ihre Rolle in dieser Gesellschaft noch nicht begriffen hat. Solche Kinder finden wir in allen Schularten; aber Schülerinnen, die sich heftig gegen das Lernen sträuben, bilden eher eine Minderheit.
Wie du an dir und an anderen Menschen beobachten kannst, gibt es recht unterschiedliche Charaktere was das Lernen betrifft. Für viele, vielleicht für die meisten ist Lernen mit der Vorstellung von Müssen verbunden. Das ist aber eine negative Einstellung; sie beschädigt die Motivation.
Ich kenne aber auch andere: Selbstbestimmte Lernerinnen sind von der Zwangsvorstellung des Lernen-Müssens weggekommen und sind zur aktiven Rolle des Lernen-Wollens durchgestiegen.
An der Art, wie du an die täglichen Hausaufgaben - oder Schularbeiten - herangehst, siehst du, an welchem Punkt der Skala zwischen Müssen und Wollen du derzeit stehst.
- Es gibt junge Menschen, denen muß das Lernen befohlen werden. Sie erledigen dann ihre Lernarbeit - zwar mit Murren -, und sie machen sie nur, weil sie zum Lernen gezwungen werden.
- Und dann gibt es diejenigen, die tanzen oft eine Stunde oder mehr um die Arbeit herum. Sie wissen sehr wohl, daß sie die Hausaufgaben werden machen müssen - sie werden diese demzufolge auch irgendwann erledigen -, dennoch veranstalten sie einen kindischen Zirkus ums Anfangen, und wenn sie partout nicht wollen oft auch ums Dabeibleiben.
- Und es gibt junge Menschen, die denken gar nicht darüber nach, daß sie jetzt Hausaufgaben machen sollen. Für solche Kinder und Jugendliche gehört es schlicht zum Ablauf des Tages wie Aufstehen, Essen, Klogehen.
Aber die wenigsten von uns sind so ausgeglichen geprägt, daß ihnen das Hausarbeiten zum Tagesablauf gehört. Die meisten müssen sich leiten lassen, oder sie müssen sich selbst steuern.
Eine clevere Lernerin steuert sich selbst
Fangen wir gleich bei der Wahl deiner Worte an: 'Ich will jetzt Hausaufgaben machen.' Dieser Satz ist nicht länger als der obige. Aber dieser Satz zeigt an, daß du aktiv handelst und nicht angetrieben werden mußt. Mit unserer Sprache verständigen wir uns nicht nur mit anderen Menschen, gleichzeitig sprechen wir auch zu uns selber. 'Ich will jetzt Hausaufgaben machen' ist zunächst mal ein Signal an dich.
Die folgenden Abschnitte handeln davon. Sich selber steuern ist eine Fähigkeit, die du erlernen kannst. Zunächst ist wichtig, daß du aufmerksam registrierst, was du laufend tust, was und wie du sprichst, daß du dich also bei deinem Tun und Lassen beobachtest, - und gelegentlich dein spontanes Agieren bewußt und willentlich veränderst. Ich werde auf diese Fähigkeit noch öfter zu sprechen kommen.
Woran du gemessen werden wirst
Auf meine an Personalchefinnen von kleineren und mittleren Unternehmen oft gestellte Frage "Was soll ein junger Mensch, der sich bei Ihnen um eine Berufsausbildung bewirbt, bereits mitbringen?", kam häufig die Antwort:
"Wir erwarten, daß die Persönlichkeit des jungen Menschen bereits erkennbar und einschätzbar ist."
Und sinngemäß gleiche Antworten bekam ich von Universitätslehrerinnen auf meine Frage "Was soll eine Abiturientin mitbringen, die in Ihrem Fach ein Studium beginnen will?"
Die junge Persönlichkeit
Wie ist die junge Persönlichkeit erkennbar? Befragungen über erwartete Eigenschaften einer jungen Persönlichkeit weisen in diese Richtung:
- Sie kann sich in der Landessprache gewandt ausdrücken, sie ist kommunikationswillig.
- Sie hat gelernt, sich gesellschaftlich angemessen zu benehmen: Das ist ein zwischen den Generationen strittiger Bereich; für die Jungen gilt dies oft als uncool, für die Älteren ist das Benehmen quasi die Visitenkarte eines jungen Menschen.
- Sie präsentiert sich selbstbewußt aber nicht anmaßend. Sie weiß um ihre Individualität, um ihre Besonderheit; sie ist sich ihrer bisher entwickelten Stärken bewußt.
- Sie kann ihr derzeitiges berufliches Ziel klar benennen. Sie ist bereit und fähig zu lernen.
- Sie ist über aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen informiert, und sie weiß dazu etwas zu sagen.
- Sie geht eine zu lösende Aufgabe / eine übertragene Arbeit strukturiert an und bleibt dabei, bis diese abgeschlossen ist.
Unter dem Begriff 'Persönlichkeit' versteht unsere Gesellschaft heute ähnliches, was früher mal unter 'Charakter' verstanden wurde, nun in die Vorstellungen der Gegenwartssprache gewandelt. Das Wort 'Bildung' wird in der Alltagssprache heute eher seltener gebraucht. Aber von ihren Einzelaspekten, sprechen wir doch recht oft.
Bei diesem Gedanken möchte ich mich kurz aufhalten:
- Bildung ist kein Besitz, den du erwerben kannst (das ist eine veraltete Vorstellung); Bildung ist eine Kraft, ein Potential, das du einsetzen kannst, sofern du es entwickelt hast.
- Bildung ist kein Zustand, in den man sich hineinversetzen kann; Bildung ist ein Vorgang, manche sprechen von einem fortlaufenden Bildungsprozeß.
- Bildung hat in erster Linie mit dir zu tun. Sich umfassend bilden ist ein entscheidender Bestandteil von 'seine Persönlichkeit entwickeln'.
Deine Stärken erkennen und diese nutzen
Seine Persönlichkeit entwickeln, setzt voraus, mit sich selber kritisch umgehen. Damit will ich sagen, wichtig für Persönlichkeitsentwicklung ist es, sich selber gut zu beobachten, 'in sich hineinschauen', sich über seine Regungen, Gefühle, Empfindungen eine gewissen Klarheit - was oft sehr schwer fällt - zu verschaffen.
Dazu gehört auch, sich selber die Fragen stellen 'Was kann ich besonders gut?" Das regt dazu an, seine eigenen Stärken zu erkennen, sie genau zu beobachten, und diese Stärken noch weiter auszubauen. Wo du schon stark bist, fällt es dir leicht, noch stärker zu werden.
Für eine effiziente Lernerin gilt:
Deine Stärken erkennen,
deine Stärken ausbauen,
deine Stärken nutzen!
Warum spreche ich nicht zuerst von deinen Schwächen, die du doch sicher auch an dir bemerkt hast? Die Schwächen sind doch in der Schule viel wichtiger als die Stärken, - so erscheint es zumindest.
Wenn du im dauernden Kampf mit deinen (schulischen) Schwächen ermüdet und entmutigt bist, hast du zu deinen Stärken auch nicht mehr den nötigen Elan. Ich empfehle deshalb, die eigenen Stärken zielgerichtet auszubauen, und zugleich zu versuchen, seine Schwächen nicht noch schwächer werden zu lassen.
Viele Pädagogen sehen das gegenteilig; sie wollen dich dazu anhalten, dich zuerst und zumeist mit den Aufgaben zu befassen, wo deine Schwächen erkennbar groß sind. Ich empfehle den anderen Weg: Mit dem weiteren Ausbau deiner Stärken gewinnst du Selbstvertrauen, verschaffst dir Anerkennung, erlebst du den Erfolg.
Nun sage ich nicht, achte nicht auf deine Schwächen. Das wäre unverantwortlich. Aber bewerte sie nicht höher als deine Stärken.
Eine einschränkende Anmerkung erscheint mir allerdings wichtig: Sich in der Landessprache in Wort und Schrift gut ausdrücken können, das verstehende Lesen, das gehaltvolle Schreiben eigener Texte, das Denken in Begriffen und Abstraktionen, das sind ganz hochrangige Ziele für eine jede Lernerin. Die Sprache ist nämlich ein 'Zauberschlüssel' zu der Gesellschaft. Wenn du da deine große Schwäche hast, wirst du nicht umhinkommen, da einen Schwerpunkt deiner Lernarbeit zu setzen. Dieser Rat gilt generell für alle Kinder und Jugendlichen, gleich welche Schulart sie besuchen.
Ich werden im Laufe der folgenden Texte noch mehrmals Vorschläge anbieten, wie du durch ein kluges Lern-Management auch in deinen 'schwachen Fächern' bessere Noten erreichen kannst.
Ich fasse zusammen
Ob du eine erfolgreiche, eine effiziente Lernerin werden willst, ist zunächst eine Frage deiner Einstellung zu dir selbst: Wenn du trotz üblicher Schwierigkeiten (zum Beispiel mit Lehrerinnen, Gleichaltrigen, Eltern) mit dir selber einverstanden bist, wenn du dir für jeden Tag ein erreichbares Ziel setzt, wenn du täglich deine kleinen und größeren Chancen erkennen kannst und sie wahrnimmst, dann wirst du eine effiziente Lernerin, sofern du es nicht schon jetzt bist.
Im einzelnen bedeutete dies:
* Selbstbestimmte Lernerinnen sind von der Zwangsvorstellung des Lernen-Müssens weggekommen und sind zur aktiven Rolle des Lernen-Wollens durchgestiegen. 'Ich will jetzt Hausaufgaben machen' ist allemal besser als 'Ich muß jetzt Hausaufgaben machen'.
* Für eine effiziente Lernerin gilt, sie erkennt ihre Stärken, sie baut sie aus und nutzt sie. Nicht deine (schulischen) Schwächen sollen deine Schulzeit bestimmen, sondern deine Stärken.
* Sehr früh schon wird die heranwachsende Persönlichkeit von anderen wahrgenommen und 'taxiert'. Zu den Merkmalen einer jungen Persönlichkeit gehört eben auch ihre Bildung. Bildung ist ein Potential, das du in Kindheit und Jugendzeit zu entwickeln beginnst.
* Dein Lernen und der Erfolg deines Lernens haben ganz vorrangig mit dir zu tun. Es geht um dein Wollen, also um deine bewußten Entscheidungen auf ein Ziel hin. Es geht sodann um deinen Antrieb, gemäß den gefaßten Entschlüssen zu handeln: Aus Lernen-Wollen und stetem Antrieb erwächst das 'effizient Lernen-Können'.
Mitte Dezember 2004 wird eine weitere Folge von 'Das Lernen lernen' erscheinen.
Dann geht es hier weiter mit
Dein Lernumfeld .
|
© Helmut M. Selzer 30.11.2004
Ende Teil 2
*) Referenz:
Die zweite Kolumne schrieb ich im sie-Genus. Warum? Die Einsicht, daß deutsche Sprache die Person-Subjekte überwiegend männlich darstellt, ist nicht neu. Alternative Schreibweisen wurden einige erprobt, so das große Binnen-I. Es kann sich bescheiden dort behaupten, wo das Problem einer maskulin dominierten Sprache ernst genommen wird. Das Anliegen ist korrekt, die Intention, die deutsche Sprache verändertem Bewußtsein anzupassen, finde ich gut. Aber die Form des großen Binnen-I ist erbärmlich, sowohl optisch wie grammatisch. Ich kann es nicht ausstehen.
Doch wie löse ich mein Problem? Ich wechsele in diesen Kolumnen in jedem Teil jeweils das Personen-Genus. Diesen Teil schreibe ich durchgängig im feminin-Genus.
Wer mir eine Nachricht senden will, kann dies gleich hier tun; eMail an
selzer@didaktik-labor.de
Die URL dieses didaktischen Ratgebers lautet:
http://www.didaktik-labor.de/R-Seiten/721b_R_Lernen2.html
|
Lernen lernen hat viele Seiten, die zu beachten sind ::
|